Winterreifenpflicht in Deutschland: Regeln, Strafen und Versicherung – das müssen Autofahrer wissen

Autofahren im Winter (über Milan Krasula)
Autofahren im Winter (über Milan Krasula)

Wenn die Temperaturen sinken und Straßen glatt werden, stellt sich jedes Jahr dieselbe Frage: Ab wann sind Winterreifen Pflicht – und was droht, wenn man ohne unterwegs ist? In Deutschland gilt seit 2010 keine starre zeitliche Winterreifenpflicht mehr, sondern eine sogenannte situative Pflicht. Das bedeutet: Bei Glatteis, Schneematsch, Schnee oder Reifglätte dürfen Autofahrer nur mit geeigneter Bereifung fahren. Wer dann noch mit Sommerreifen unterwegs ist, riskiert nicht nur Strafen, sondern auch seinen Versicherungsschutz.

Eine gesetzlich festgelegte Zeitspanne – wie von Oktober bis Ostern – existiert nicht. Die bekannte „O-bis-O-Regel“ ist lediglich eine Faustformel und ersetzt nicht den Blick aufs Wetter. Entscheidend ist also nicht das Datum, sondern die Fahrbahn. Wichtig: Winterreifen oder Ganzjahresreifen mit Alpine-Symbol müssen auf allen vier Rädern montiert sein – auch bei Fahrzeugen aus dem Ausland, die in Deutschland unterwegs sind.

Welche Reifen gelten als Winterreifen?

Seit dem 1. Oktober 2024 gilt in Deutschland nur noch das Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) als eindeutiger Nachweis für einen Winterreifen. Die ältere Kennzeichnung M+S (Matsch und Schnee) ist nur noch zulässig, wenn die Reifen vor dem 1. Januar 2018 produziert wurden – für diese Modelle endete im Herbst 2024 die Übergangsfrist. Auch Ganzjahresreifen sind erlaubt, sofern sie das Alpine-Symbol tragen. Sie bieten jedoch bei Eis und Schnee weniger Sicherheit als klassische Winterreifen.

Wie viel Profil ist vorgeschrieben – und was ist sinnvoll?

Gesetzlich vorgeschrieben sind mindestens 1,6 Millimeter Reifenprofil. Fachleute empfehlen jedoch, Winterreifen bereits ab 4 Millimetern Restprofil zu ersetzen, weil die Bremswirkung auf Schnee sonst deutlich nachlässt. Der Unterschied ist enorm: Bei 50 km/h beträgt der Bremsweg auf Schnee mit 1,6 Millimetern Profil etwa 38 Meter, mit neuen Reifen (8 Millimeter) rund 26 Meter.

Worauf kommt es bei Pflege und Sicherheit an?

Neben dem Profil spielt auch der Reifendruck eine entscheidende Rolle. Bei Kälte sinkt er automatisch, was den Grip verschlechtert, den Bremsweg verlängert und den Verbrauch erhöht. Der Reifendruck sollte deshalb regelmäßig überprüft werden. Um gleichmäßigen Verschleiß zu erreichen, empfiehlt sich ein Reifenwechsel zwischen Vorder- und Hinterachse alle 10.000 Kilometer.

Winterreifen altern mit der Zeit, selbst wenn sie kaum gefahren werden. Nach sechs bis acht Jahren sollte man sie austauschen, weil die Gummimischung aushärtet und den Grip verliert. Das Herstellungsdatum zeigt die DOT-Nummer auf der Reifenflanke (z. B. „2218“ = 22. Kalenderwoche 2018).

E-Autos – besondere Anforderungen

Elektrofahrzeuge sind durch ihr höheres Gewicht belastender für Reifen. Spezielle Winterreifen sind zwar nicht vorgeschrieben, empfohlen werden aber Modelle mit höherem Tragfähigkeitsindex und möglichst niedrigem Rollwiderstand, um die Reichweite nicht zu senken.

Welche Strafen drohen bei Verstößen?

Wer bei winterlichen Straßenbedingungen mit Sommerreifen unterwegs ist, muss mit folgenden Bußgeldern rechnen:

VerstoßStrafePunkte
Fahren mit Sommerreifen60 €1 Punkt
… mit Behinderung anderer80 €1 Punkt
… mit Gefährdung100 €1 Punkt
… mit Unfallfolge120 €1 Punkt
Reifenprofil unter 1,6 mm75 €1 Punkt

Ein Fahrverbot gibt es nicht. Dennoch kann es teuer werden – besonders bei einem Unfall.

Wie wirkt sich ein Verstoß auf die Versicherung aus?

Wer bei winterlichem Wetter mit falscher Bereifung einen Unfall verursacht, riskiert Probleme mit der Kaskoversicherung, die ihre Leistung kürzen oder verweigern kann. In der Haftpflichtversicherung droht eine Mithaftung von etwa 20 Prozent, auch wenn man nicht Verursacher ist – weil Sommerreifen als „erhöhte Betriebsgefahr“ gelten. Versicherungen prüfen zusätzlich, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt.

Fazit: Jetzt wechseln – aber mit System

Winterreifen sind kein formaler Pflichttermin, sondern eine Frage der Verantwortung. Wer bei kalten Temperaturen rechtzeitig umrüstet, spart nicht nur Nerven und Geld, sondern schützt auch sich und andere im Straßenverkehr. Entscheidend sind: Alpine-Symbol, ausreichendes Profil, korrekter Reifendruck und rechtzeitiger Wechsel. Wer wartet, bis der erste Schnee fällt, ist meist schon zu spät dran.

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