Wochenendkurs in den Tod: Der politische Irrsinn hinter dem Führerschein B196

Verantwortungsloser Umgang mit dem Motorrad (über Djordje Petrovic)
Verantwortungsloser Umgang mit dem Motorrad (über Djordje Petrovic)

Neun Unterrichtseinheiten, kein Test, keine Prüfung – und schon darf man 125er-Maschinen fahren. Das ist kein Witz, sondern deutsche Realität. Seit 2020 reicht ein Wochenendkurs, um mit einem Motorrad unterwegs zu sein, das locker 100 km/h schafft. Das Ganze nennt sich „B196-Regelung“ – ein bürokratischer Euphemismus für eine der gefährlichsten Fehlentscheidungen der jüngeren Verkehrspolitik.

Denn was als Erleichterung gedacht war, ist in Wahrheit eine Einladung zur Überforderung. Die Unfallzahlen sind explodiert, um ganze 59 Prozent seit Einführung dieser Regelung. Wo früher Sicherheit mühsam erarbeitet wurde, reicht heute ein Wisch vom Fahrlehrer und das gute Gefühl, „es schon irgendwie zu können“.

Politik zwischen Wunschdenken und Wirklichkeit

Das Verkehrsministerium wollte damals „Mobilität fördern“ – ein schöner Satz, der klingt, als hätte er mit Freiheit zu tun. In Wahrheit wurde ein Hochrisiko-Vehikel demokratisiert, ohne Verantwortung mitzuliefern. Was die Politik mit dieser Reform produziert hat, ist kein Fortschritt, sondern eine Gefährdung im Akkordformat.

Denn Motorräder sind kein Spielzeug. Sie verzeihen keine Fehler, keine Selbstüberschätzung und keine Wochenendlizenz. Dass die Unfallstatistik nach oben schießt, war keine Überraschung, sondern ein vorhersehbarer Kollateralschaden populistischer Symbolpolitik.

Führerschein light, Verantwortung null

Wer Auto fahren kann, kann Motorrad fahren? Schön wär’s. Doch während ein Pkw bei einem Fahrfehler Airbags, Knautschzonen und Assistenzsysteme bietet, gibt’s beim Leichtkraftrad nur Physik. Und die ist gnadenlos. Die Politik hat mit B196 ein System geschaffen, in dem Menschen mit wenig Übung, aber viel PS ungeschützt im Straßenverkehr unterwegs sind – mit amtlichem Segen.

Die Folge: Mehr Tote, mehr Schwerverletzte, mehr Beerdigungen für eine Idee, die niemand brauchte.

Verantwortung sieht anders aus

Verkehrspolitik sollte Leben schützen, nicht gefährden. Stattdessen hat man hier wieder einmal das falsche Signal gesendet: Bürokratische Bequemlichkeit statt sicherheitsbewusster Ausbildung. Und wenn jetzt selbst die Deutsche Verkehrswacht, sonst eher zurückhaltend in ihrer Wortwahl, offen fordert, die Regelung abzuschaffen, dann ist das kein Ruf nach Reform – das ist ein Schmerzensschrei aus der Praxis.

Fazit

Die B196-Regelung gehört dorthin, wo sie herkam: in die Schublade der schlecht durchdachten Ideen. Freiheit auf zwei Rädern ist ein hohes Gut – aber sie muss verdient sein, nicht erteilt werden. Wer ernsthaft meint, ein Wochenendkurs ersetze Erfahrung, Fahrsicherheit und Respekt vor der Maschine, sollte sich fragen, wie viele Leben ein politischer Schnellschuss eigentlich wert ist.

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